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KursWechsel an der Schule der Ideengeberinnen des Modellprojekts

Die Fortbildung für Lehrer*innen zum Thema Plastikmüll in den Meeren

Gleich am ersten Schultag nach den Winterferien fand in Potsdam am 3. Januar 2018 die erste Fortbildung für Lehrer*innen an der Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule statt. Der zweite Durchlauf der Fortbildung folgte eine Woche später am 10. Januar. 

Rund 25 Lehrer*innen folgten dem Angebot ihrer Schüler*innen auf freiwilliger Basis und kamen nachmittags zur zweistündigen Fortbildung zum Thema Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll. 

Da die Workshops zur Vorbereitung der Fortbildung schon einige Wochen zurücklagen, mussten sich die acht Schüler*innen am Nachmittag der Fortbildung sehr schnell wieder ins Thema einfinden. Sie führten eigene Vorbereitungen und Überlegungen im Team zusammen, die sie zum Teil über die Ferien fortgeführt hatten: eine Präsentation wurde noch fertiggestellt, eine neu erdachte Methode zum Thema Mikroplastik in Kosmetik mit der Gruppe geteilt und durch krankheitsbedingte Ausfälle einzelner Schüler*innen wurde improvisiert, wer welchen Part spontan übernehmen kann. Die Gruppe legte beeindruckendes Improvisationsvermögen und vorbildlichen Teamgeist an den Tag. Dann ging es auch schon los.

Wie kam es zu(m) KursWechsel?

Mit einer persönlichen Vorstellung starteten die Schüler*innen und leiteten die Fortbildung mit der Frage ein, was der erste Gedanke ihrer Lehrer*innen bei dem Wort „KursWechsel“ sei. „Einen anderen Weg einschlagen“, „Richtungswechsel“ waren Gedanken dazu, die gut umschreiben, was an dem Tag geschah – und was in der Gesellschaft auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung noch geschehen muss. 

Zwei Schüler*innen klärten auf, was es mit dem Projekt auf sich hat und dass dieses auf ihre Idee zurückgeht. Ein Jahr zuvor nahmen sie an einem Design-Thinking-Workshop von BildungsCent im Programm Brandenburg Nachhaltig Engagiert teil und beschäftigten sich mit der Frage, warum Nachhaltigkeitsthemen in Schulen nicht präsenter seien und wie sich dies ändern ließe. Ihr Vorschlag: Die Schüler*innen müssten dazu ihre Lehrer*innen schulen. 

Begeistert von der Idee entwickelten wir bei BildungsCent e.V. dieses innovative Lernformat weiter und stellten einen Förderantrag beim Umweltbundesamt. Nach erfolgreicher Bewilligung starteten wir die Zusammenarbeit mit zunächst drei Schulen – darunter die Schule der Ideengeberinnen mit acht engagierten Schüler*innen. Diese übernahmen nun in der Fortbildung die Rolle und Regie, die sonst die Lehrer*innen in der Schule innehaben.
Sie hatten in vielfältigen Methoden Informationen, Fakten und Wissenswertes vorbereitet, um ihren Lehrer*innen eines der wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen unserer Zeit näherzubringen und sich gleichzeitig mit Lösungsoptionen auseinanderzusetzen.

Was die Lehrer*innen wissen sollten – Eine Sicht von Schüler*innen

Die Kinder und Jugendlichen von heute sind die Entscheider*innen von morgen – darum wollen die Schüler*innen mitentscheiden, was wichtig ist. Nachhaltigkeit ist den acht engagierten Schüler*innen wichtig. Eine Einordnung der KursWechsel-Fortbildung erfolgte über die 17 globalen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals/SDGs). Insbesondere über die Ziele 6 (Sauberes Wasser und Sanitärversorgung), 12 (Verantwortungsvoller Konsum und Produktion) und 14 (Leben unter Wasser) waren die Schüler*innen schnell beim eigentlichen Inhalt ihrer selbst konzipierten Fortbildung: Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll mit vielen Informationen und Fakten, was das Thema mit jeder*m Einzelnen zu tun hat, wie es so weit kam und welche Lösungsoptionen wir Menschen haben. Abwechslungsreich durch den Methodenwechsel empfanden die Lehrer*innen die zwei Stunden Fortbildung als angenehm kurzweilig.
Die Schüler*innen nutzten Präsentationen mit Fakten zum Thema, aktivierende Methoden – wie zum Beispiel die Etikettenanalyse zum Sortieren von verschiedenen Kosmetikprodukten nach Inhaltsstoffen und der Klärung, woran zu erkennen ist, ob Mikroplastik im Produkt enthalten ist oder nicht –, Bewegung im Raum, kurze Filme und eine Kleingruppenarbeit. Hier arbeiteten die Gruppen zur Frage, wie auf Reisen, auf Feiern, beim Einkaufen und in der Schule Plastik und Verpackung eingespart werden können bzw. welche Alternativen es gibt. In einer abschließenden Gruppendiskussion wurden Ideen entwickelt, wie das Wissen nun in der Schule aktiv in Maßnahmen umgesetzt werden kann.  

Der Abschluss und Ergebnisse der Fortbildung

„Hochachtung“, hatte die Schulleiterin vor der Darbietung der Schüler*innen und war begeistert, wie souverän diese die Fortbildung umgesetzt haben.  

Ein Lehrer hob hervor, „wie gut die Schüler*innen aus unterschiedlichen Klassenstufen als Team zusammengewirkt haben“, denn aus eigener Erfahrung weiß er, dass „Teamteaching gar nicht immer so leicht ist.“

„Ihr wart wie Expert*innen, sehr souverän!“

„Ich werde die SDGs in den Unterricht aufnehmen!“ 

„Ich habe viele Impulse bekommen, z. B. das plastikfreie Klassen-Frühstück“

„Kann ich euch als Referent*innen für meine Klasse anfragen?“

Das waren einige der Stimmen der teilnehmenden und begeisterten Lehrer*innen.

Sie interessierten sich natürlich auch dafür, wie sich der KursWechsel für die Schüler*innen anfühlte und was sie von der Teilnahme mitnehmen.

Es ist gar nicht so einfach, Lehrer*in zu sein, vorne zu stehen und ein Thema spannend aufzubereiten und rüberzubringen“, reflektierte eine Schülerin.

„Durch das Präsentieren habe ich viel gelernt.“

„Ich werde auf jeden Fall meine Familie überzeugen, nur noch Kosmetik ohne Mikroplastik zu kaufen.“

An die Diskussion, wie Plastik in der Schule vermieden werden kann, schlossen sich Überlegungen an, wie Müll überhaupt richtig getrennt wird und wie alle Schüler*innen dieses wichtige Wissen erhalten können. 


Der Weg zur Fortbildung für Lehrer*innen an der Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule?

Workshop I in Potsdam – Eine inhaltliche Einführung

Am 1. Dezember widmeten wir uns einen ganzen Tag lang mit zehn Schüler*innen der inhaltlichen Einführung in das Thema Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll. Von der 8. Klasse bis zur Abiturklasse waren die Schüler*innen jahrgangsmäßig gemischt und hatten sich bereits zuvor schon viel mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt, so dass interessierte und intensive Gespräche im Laufe des Tages entstanden. Für die Schüler*innen war klar: Sie wollen neue Erkenntnisse und Ideen entwickeln, was gegen das Problem getan werden kann – aber sie wollen keine Moralpredigt hören. 

Plastik – Material unseres Alltags und Bedrohung für unsere Meere

Inhalt und Ziel des Workshops waren die Bewusstmachung, dass Plastik ein Material unseres Alltags ist, das kaum noch aus unserem Leben wegzudenken ist – das aber viel zu oft sorg- und sinnlos verwendet wird und als Müll in unseren Meeren zu einem der drängendsten Umweltprobleme unserer Zeit wurde. Im Workshop beschäftigten wir uns damit, was genau Plastik und Mikroplastik ist, wie es in so großen Mengen in unseren Meeren landen kann und welche Auswirkungen es hier hat.

Gleichzeitig setzten wir uns mit Lösungsmöglichkeiten auseinander, die jede*r Einzelne beitragen kann, wie zum Beispiel Müll zu vermeiden oder Ersatz für Plastikprodukte wie Plastiktüten zu finden. Die Schüler*innen versetzten sich außerdem in die Lage von Verantwortlichen aus den Bereichen Tourismus, Wissenschaft und Politik. Sie erarbeiteten für diese Handlungsebenen verschiedene Lösungsmöglichkeiten, um dem drängenden Problem entgegenzuwirken. So brachte die Gruppe Politik die Idee ein, „grünes“ Handeln mehr zu bezuschussen und die Gruppe Wissenschaft stellte sich die Frage, ob es möglich sei, die Plastikteile, die sich in den Meeren befinden, wieder herauszufiltern.

Das Experten-Gespräch

Nach dem Mittagessen freuten wir uns auf einen Gast: Sebastian Unger, wissenschaftlicher Projektleiter am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam (IASS Potsdam) – verantwortlich für den Bereich Ocean Governance – kam zu einem Experten-Gespräch. Sebastian Unger gab einen Einblick in seine (internationale) Arbeit und bot den Schüler*innen gleich das Arbeits-Du an, was eine sehr angenehmen Atmosphäre schaffte. Er berichtete von seinem Lebenslauf und wie es dazu kam, dass er sich für Nachhaltigkeit so begeisterte, dass er es zu seinem Beruf machte: Als er selbst noch Schüler war, besuchte der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer seine Schule. Diese Begegnung habe ihn so geprägt, dass auch er sich beruflich für Nachhaltigkeit einsetzen wollte. Die Schüler*innen hatten die Gelegenheit ihre vielen Fragen loszuwerden und Antworten von dem Experten zu bekommen. Eine spannende Frage, die die Schüler*innen umtrieb: Wem gehören eigentlich die Meere? (Informationen zu dieser Frage, finden Sie in einem Interview zum Thema mit Sebastian Unger, Deutsche Welle) 

Eine andere Frage, die die Schüler*innen beschäftigte: Welches Land trägt eigentlich die größte Verantwortung für die Verschmutzung der Meere und verursacht am meisten Plastikmüll im Meer? Sebastian Unger machte deutlich, dass es nicht möglich ist – in einer globalisierten Welt mit einem weltweiten Warenverkehr, in der wir in Deutschland zum Beispiel Produkte „Made in China“ kaufen und bis vor kurzem einen Großteil unseres Plastikmülls nach China exportierten – die Verantwortung einzelnen Ländern zuzuschreiben. Eines wurde in jedem Fall in dem Experten-Gespräch deutlich: Wir Menschen müssen eine Lösung für das Problem finden, denn „die Meere brauchen uns nicht, aber wir Menschen brauchen die Meere zum Leben“, gab Sebastian Unger nochmals zu bedenken.      

„Es war super spannend, hat viel Spaß gemacht und ich habe viel Neues gelernt. Das Expert*innen-Gespräch sollte unbedingt bei KursWechsel beibehalten werden, da es für engagierte Schüler*innen, die ja freiwillig am Projekt teilnehmen, nochmals ein besonderer Anreiz ist“, war die Rückmeldung einer Schülerin zu dem Experten-Gespräch.  

Drei Gruppen – drei Themen

Am Nachmittag ging es in eine Gruppenarbeitsphase. Drei Gruppen beschäftigten sich mit den selbst gewählten Themen: Meeresbewohner, Verpackungen und der Geschichte von Plastik. Jede Gruppe hatte zum Ziel, sich vertiefend – durch eine Aktion, eine Recherche und die Erstellung einer Präsentation – mit einem Thema auseinanderzusetzen und am Ende durch ihre Präsentation das Wissen mit den Mitschüler*innen zu teilen. 

So recherchierte zum Beispiel die Gruppe „Verpackung“ im Internet unnütze Verpackungen. Die Beispiele reichten von in Plastik eingeschweißte Getränkedosen über geschälte Avocados in Plastik verpackt bis hin zu einzeln in Plastik verpackte Bananen und vieles mehr. Die Gruppe setze sich mit der Frage auseinander, ob es oft nur eine Gewohnheit ist, so viel Plastikverpackungen zu benutzen, die nicht hinterfragt wird. So bereiteten sie für ihre Mitschüler*innen eine Liste von Alternativen auf, die jede*r leicht umsetzen kann – von Mehrzweckbeuteln statt Plastiktüten bis zum bewussten Einkauf in Unverpackt-Läden.   

Mit einem Ausblick auf den 2. Workshop zur Konzeption der Fortbildung für die Lehrer*innen und einer kurzen Feedbackrunde endete der inhaltliche Workshop.


Workshop II in Potsdam – Die Konzeption der Lehrer*innen-Fortbildung

Am 13. und 14. Dezember 2017 trafen wir uns nachmittags mit acht Schüler*innen. Hier konzipierten sie die Fortbildung für ihre Lehrer*innen an der Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule inhaltlich und methodisch. Die erste Fortbildung sollte dann gleich am ersten Schultag nach den Winterferien stattfinden.

Besuch bekamen wir beim ersten Methoden-Workshop von Martina Eick aus dem Umweltbundesamt. Sie betreut unser Förderprojekt inhaltlich von Beginn an und bekam so einen lebendigen Eindruck vom Modellprojekt KursWechsel

Entwicklung der Fortbildung für Lehrer*innen

Mithilfe einer Planvorlage entwickelten die Schüler*innen die Fortbildung: Was soll Inhalt sein und warum? Welche Methoden eignen sich wofür und wer ist für was verantwortlich? Welche Materialien werden benötigt und was muss vorbereitet werden? Und die spannende Frage: Wie lange dauert was? Eine Power-Point-Präsentation? Ein Experiment? Eine Gruppenarbeit? Welches Vorwissen bringen die Lehrer*innen schon mit? Welche Informationen und Fakten müssen aufbereitet werden, damit die Lehrer*innen neues Wissen erlangen und sich nicht langweilen? Der KursWechsel begann: Schüler*innen machen Schule! 

Die Vorbereitungen

Die Schüler*innen arbeiteten Experimente, Materialien, Methoden und Inhalte aus.
Es wurden eine Präsentation zu den SDGs vorbereitet und ein kurzes Erklär-Video ausgewählt, die Geschichte von Plastik sowie „Facts & Fakes“ zum Thema recherchiert, ein Experiment zum Herausfiltern von Mikroplastik aus Kosmetik erprobt, Informationen zu den Einträgen von Plastik ins Meer aufbereitet und eine Kleingruppenarbeit zu individuellen und schulischen Lösungsideen für die Vermeidung und Reduzierung von Plastikmüll entwickelt.


Wie geht es an der Schule weiter?

In einer abschließenden Diskussion wurden verschiedene Ideen gesammelt, was sich in der Schule verändern kann, um einen Beitrag zur Lösung des Problems zu leisten.
So ist eine Idee, in allen Klassen ausreichend Informationen zu geben, wie Müll „richtig“ getrennt wird, um zukünftig den Verpackungsmüll gesondert zu sammeln.
Der Schulshop hat bereits Angebote aus recylebaren Materialien.
Es wurden Ideen gesammelt, wie das Klassen-Frühstück oder Schulveranstaltungen zukünftig plastikfrei aussehen könnten.
Die Schule nutzte die Fastenzeit, indem sich Lerngruppen aus jeder Jahrgangsstufe aufmachten, „anders unterwegs zu sein“ und auch das Kollegium sich jede Woche unterschiedlichen Herausforderungen stellte. So gehörte zum Beispiel eine Woche Plastikfasten zu den Herausforderungen.
Und schließlich setzte sich die Schule auch mit politischen Entwicklungen und der Frage auseinander, was Einzelne tun können, um Einfluss zu nehmen und sich zu beteiligen. So weisen die Schüler*innen auf ihrem Blog http://klimareporter.eu/ auf die Petition der Deutschen Umwelthilfe hin, mit der Maßnahmen von der Bundesregierung gefordert werden, die Plastikflut und ihre Folgen konsequent zu bekämpfen. Mehr Informationen zur Petition finden sich auf der Website der Deutschen Umwelthilfe.  
Die Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule wurde mit dem Team „Kurswechsel-plastikfrei" Brandenburger Landessieger des Energiesparmeister-Wettbewerbs von co2online, unterstützt durch die vom Bundesumweltministerium beauftragte Kampagne „Mein Klimaschutz".

 

Schule

Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule in Potsdam

Bundesland

Brandenburg

Experte

Sebastian Unger
Wissenschaftlicher Projektleiter am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS Potsdam), verantwortlich für den Bereich Ocean Governance

Umsetzungszeitraum

Dezember 2017/Januar 2018